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Gratefulness
Die Selbstverständlichkeit und Einfachheit dieser Übung sind ein grosser Vorteil.
Dankbarkeit ist eine Übung. Dankbar zu sein, ist so einfach und so gewöhnlich, so allgemein geradezu, dass wir meinen „das kann keine Übung wie Zen oder Yoga sein“. Aber wenn du aufmerksam schaust und wenn du sie zu deiner Übung machst, kann sie wirklich auf derselben Stufe stehen wie diese gross-artigen traditionellen Übungen. Und in einem gewissen Sinn, ist es eine traditionelle Übung. Wenn du nur schon an deine Mutter oder Grossmutter denkst – vielleicht kanntest du sogar deine Urgrossmutter, so wie ich das Glück hatte zwei von ihnen noch zu kennen – sie waren dankbare Menschen und sie haben uns Dankbarkeit gelehrt. So kam sie auf eine weniger förmliche Weise zu dir, doch ist es eigentlich eine traditionelle Übung.
Die Selbstverständlichkeit und Einfachheit dieser Übung sind ein grosser Vorteil. Wenn du an all den Schmerz denkst, den du durchmachen musst, wenn du dich im Hatha-Yoga zu einer Brezel verrenken musst, dann ist Dankbarsein viel einfacher! Jede andere Übung braucht viel Zeit – und Dankbarkeit überhaupt nicht. Wenn du dich entscheidest – „Okay, von jetzt an wird es meine Übung sein“ – und du beginnst in diesem Augenblick, wirst du fröhlicher sein. Du kannst es überprüfen und wirst feststellen, dass es bei dir sofort etwas bewirkt.
Du wirst entdecken, dass das, was für die Dankbarkeit wesentlich ist, im Zen, Yoga, in irgendeiner christlichen oder einer anderen Übung, dasselbe ist. Das Wesentliche des Dankbarseins ist, zu akzeptieren was ist. Wir sprechen ja nicht nur davon „Dankeschön“ zu sagen, wir sprechen über diese innere Geste, diese innere Haltung, aus der „Dankeschön sagen“ entspringt, wenn es aufrichtig gemeint ist.
Das setzt natürlich voraus, im Jetzt zu sein. Oder wie es T.S. Eliot ausdrückt: „Was ist, ist immer jetzt“. „Alles ist immer jetzt“. Das scheint eindeutig zu sein, doch ist es sehr wichtig, dass wir uns erinnern „Alles ist immer jetzt“. Wenn es nicht jetzt ist, ist es nicht. Es war oder wird sein, aber es ist nicht. Was immer ist, ist jetzt. Also akzeptieren, was es heisst, im Jetzt zu sein. Und im Jetzt sein heisst, die Illusion von unserem kleinen Ego aufzulösen. Und das ist das Ziel von allen Übungen! Weil es sich von Vergangenem und Zukünftigem ernährt, löst sich das kleine „ich“ auf, wenn du im Jetzt bist.
Wenn du das kleine „ich“ betrachtest, besteht es aus deiner Vergangenheit: aus all den Dingen, die du getan hast oder auf die du stolz warst, oder aus all diesen Gruppen, zu denen du gehörst. Wenn jemand fragt „Wer bist du?“, wirst du dich als Österreicher oder Amerikaner oder Ungar bezeichnen: deine Herkunft ist etwas aus der Vergangenheit. Oder du wirst sagen, dass du den und den Namen hast und das heisst, dass du zu der und der Familie gehörst. Oder du erwähnst alles, was du erlitten hast! Dieses kleine „ich“ hat so viel gelitten und bildet sich viel darauf ein, immer mehr gelitten zu haben als jeder andere. Wenn du nicht besser sein kannst als jeder andere, dann kannst du wenigstens kränker sein als jeder andere! Auch das ist also etwas aus der Vergangenheit.
Manchmal ist es schwierig, dieses kleine „ich“ aufzustöbern. Es ist völlig vage, weil wir uns mit ihm identifizieren. Ein Weg um es aufzustöbern ist, es zu packen, wenn es jammert. Es hat die Gewohnheit zu jammern. So zeigt sich das Ego im Bezug auf die Vergangenheit selbst.
Und dann gibt es da auch die Zukunft: die Dinge, welche du erwartest und deine Hoffnungen daran knüpfst, Dinge, welche du immer noch erreichen möchtest. „Ich möchte erleuchtet werden!“ Das ist auf die Zukunft gerichtet. Na ja, so funktioniert es nicht. Wenn es nicht jetzt ist, erwarte nicht, dass es später kommt. Aber dieses Jetzt ist genau das, wovor dieses kleine „ich“ so Angst hat, denn wenn du im Jetzt bist, verschwindet es. Das Ego hat keinen Halt im Jetzt.
Das sind also die drei wesentlichen Aspekte des Dankbarseins. Der erste ist offensichtlich: annehmen, was jetzt ist. Annehmen, was ist. Der zweite: jedes bestimmte Ding muss im Jetzt sein, denn wenn es ist, ist es im Jetzt. Der dritte: wenn du im Jetzt dankbar bist – und wo sonst könntest du dankbar sein? – dann löst sich dein kleines „ich“ auf. Und das ist das Ziel aller Übungen. Darauf musst du dich gefasst machen, wenn du beginnst dankbar zu sein!
Worte von Br. David Steindl-Rast aus dem Gespräch „Dankbarkeit im Jetzt“ mit Roshi Joan Halifax im Upaya Zen Center in Santa Fe (New Mexico) am 12. März 2008. Aus dem Amerikanischen übertragen von Eve Landis.
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